Fritz Vahrenholt: Die Dunkelflaute ist erst der Anfang
Die Abweichung der globalen Mitteltemperaturen vom langjährigen Durchschnitt ist im Dezember weiter zurückgegangen. Im vergangenen Monat überstiegen die Temperaturen laut den satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) jene der Referenzperiode 1991 bis 2020 um +0,62 Grad Celsius. Im November lag die Abweichung bei +0,64, im Oktober bei +0,73 Grad Celsius und im September bei +0,96 Grad Celsius.
Die durchschnittliche Erwärmung der letzten 40 Jahre betrug 0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das entspräche 1,5 Grad in 100 Jahren.
Nach der Dunkelflaute kommt die gefährlichere Hellbrise
Im November und Dezember hat Deutschland die Erfahrung gemacht, was einem Stromversorgungssystem passiert, wenn es sich auf Solarstrom und Windenergie verlässt und regelbare Kohle- und Kernkraftwerke abstellt. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind ausbleibt und dadurch der Strom knapp wird, steigen die Preise exorbitant. Eine solche Dunkelflaute kann uns im Januar oder Februar noch einmal oder mehrfach erwischen.
Doch schlimmer als die Dunkelflaute ist die Hellbrise: blauer Himmel, Sommermittagssonne und ein leichter Wind über Deutschland. Durch den Zubau an Photovoltaik in den letzten zwei Jahren um 30.000 Megawatt (MW) beziehungsweise 30 Gigawatt (GW) ist die Kapazität des Solarstroms auf über 100 GW angestiegen, ein Großteil davon nicht abstellbar.
Was passiert, wenn der Strombedarf in Deutschland – etwa an einem Feiertag – deutlich kleiner ist, sagen wir 40 GW?
Nun, es droht der Zusammenbruch der Versorgung, weil die zu hohen Einspeisungen die Frequenz im Stromnetz über netzschädliche 50,2 Hz hinausschießen lässt. Aber Robert Habeck wollte diesen Wahnsinnsanstieg. Sein unreflektiertes Credo „Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Solarenergie“ bringt uns schon in diesem Sommer in die Blackoutzone.
Sitzen wir Ostern im Dunkeln?
Amani Joas, Geschäftsführer des Stromhändlers CFP Flexpower, beschreibt diese Gefahr in einem aufsehenerregenden Artikel im „pv magazine“, einer Fachzeitschrift der Solarbranche:
An Ostersonntag 2025 sinkt die Stromnachfrage während der Mittagsstunden auf etwa 40 Gigawatt, während Solaranlagen auf Dächern allein bis zu 34,2 Gigawatt produzieren. Zusammen mit 8 Gigawatt konventioneller Must-Run-Kapazität und weiteren 11,7 Gigawatt aus netzgekoppelten erneuerbaren Energien, die nicht abgeregelt werden, ergibt sich ein Gesamtangebot von 53,9 Gigawatt.“
Im Gegensatz zur Dunkelflaute sei somit „viel zu viel Strom […] im Netz“. Weiter schrieb Joas:
Selbst bei einem optimistischen Export von 8 Gigawatt bleibt ein Überangebot von 5,9 Gigawatt bestehen, was der Leistung von fünf Kernkraftwerken entspricht. […] Dies könnte zu gravierenden Netzproblemen führen, darunter ein Anstieg der Netzfrequenz, Abschaltungen von Photovoltaik-Wechselrichtern, Schäden an Maschinen und potenzielle Brownouts, besonders in solarreichen Regionen wie Südbayern.“
Ein Brownout ist ein regionaler Stromausfall, der durch gezieltes Abkoppeln der betroffenen Region vom übrigen Netz einen bundesweiten Blackout vermeiden soll. Der Artikel im Photovoltaik-Magazin fordert schnelle Notlösungen, etwa die Sondervergünstigungen für Dachanlagen wie Befreiung von Netzentgelten, Mehrwertsteuer und Stromsteuer sofort abzuschaffen, damit der Ausbau von nicht steuerbaren Dachanlagen zum Erliegen kommt.
Hilferuf an die Politik
„Die Politik ist gefordert“, heißt es wie ein Hilferuf im Artikel im Photovoltaik-Magazin. Haben Sie, lieber Leser, etwas von den Irrungen der Photovoltaik-Energiewende in den Wahlprogrammen von CDU, SPD oder Grünen gelesen, die voraussichtlich die Regierungsbildung unter sich ausmachen werden?
Im Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2025 heißt es auf Seite 31:
Wir bekennen uns klar zu den Klimazielen für Deutschland und die EU. […] Wir unterstützen den europäischen Green Deal, damit Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird. Eine Abschwächung der erreichten Errungenschaften ist mit uns nicht zu machen. Unsere Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Beschlossene Gesetze werden wir umsetzen. Wir wissen um unsere Vorreiterrolle und werden daraus einen Vorteil für unser Land, unsere Menschen und den Standort Deutschland machen.“
Mit anderen Worten: Der bisherige Kurs wird unbeirrt fortgesetzt. Man wüsste gerne, wie Deutschland mit einem Anteil von 1,5 Prozent an den CO₂-Emissionen der Welt die Durchschnittstemperatur auf 1,5 oder 2 Grad Celsius begrenzen kann.
Die Emissionen Chinas wuchsen zwischen 2022 und 2023 von 12.526,83 auf 13.259,64 Millionen Tonnen und übersteigen jene der fünf nächstgrößten Emittenten – USA, Indien, die EU, Russland und Japan – zusammen. Zugleich ist damit allein der jährliche Zuwachs des größten CO₂-Produzenten – China war 2023 für 34 Prozent der globalen anthropogenen CO₂-Emissionen verantwortlich – größer als die Gesamtemissionen Deutschlands. Diese betrugen zuletzt knapp 583 Millionen Tonnen CO₂.
Solange man die dystopische Über- und Unterproduktion von Solar- und Windenergie während Dunkelflaute und Hellbrise als Errungenschaft feiert, heißt das: Wir halten an unserer Vorreiterrolle fest, auch wenn wir unseren Wohlstand opfern, weil es um die Rettung der Welt geht. Ähnliches hatten wir schon von Greta Thunberg gehört.
Ostern ist erst nach der Wahl …
… und dann kommt Pfingsten mit noch höherer Solarstromproduktion und ebenfalls geringem Strombedarf. Den gesamten Sommer wird Deutschland zittern müssen, wenn nicht endlich eine Bundesregierung mit der Kettensäge durch das Dickicht der falschen Energiepolitik fährt, die uns Wohlstand und Arbeitsplätze kostet und uns für den Fall der Hellbrise weltweit der Lächerlichkeit preisgibt. Die Welt wird fragen: Wie konnte dieses Land unter einer CDU-Kanzlerin und einem SPD-Kanzler so kaputt gemacht werden?
Nur wenige Stromversorger veröffentlichen Daten über das Ausmaß des sich anbahnenden Abschaltdramas, wie Avacon, Bayernwerk und Schleswig-Holstein-Netz. Ihre Netzampel zeigt aktuelle und historische Abschaltungen von Grünstromanlagen. Je dunkler das Rot, umso häufiger und länger mussten Solar- und Windkraftanlagen abgeschaltet werden.
So durften im Juli 2024 in Bayern in der Gemeinde Vilseck, nördlich von Amberg, Anlagen bis zu 354 Stunden nur gedrosselt oder gar nicht einspeisen. Über das gesamte Jahr erreichten die Abschaltungen in Vilseck knapp 2.000 Stunden. Zwischen Nord- und Ostsee mussten im März und Juni desselben Jahres in mehreren Gemeinden Anlagen bis zu über 500 Stunden pro Monat gedrosselt werden. Im gesamten Jahr wurden Anlagen über 5.000 Stunden eingeschränkt.
Dieses Jahr wird es voraussichtlich noch mehr. Wohlgemerkt, das betrifft nur die abschaltbaren Solarfelder und Windparks. Die Dachanlagen speisen weiterhin ungesteuert ins Netz, egal ob der Strom während einer Dunkelflaute dringend gebraucht wird oder während einer Hellbrise das Problem nur verschärft.
Millionen Solaranlagen belasten Stromnetze …
Durch eine beispiellose Überförderung von Dachanlagen ist es Robert Habeck gelungen, den jährlichen Ausbau von Solaranlagen von 5.260 MW im Jahr 2020 über 7.480 MW im Jahr 2021, 14.630 MW im Jahr 2023 auf 15.900 MW im Jahr 2024 zu steigern, sodass wir rund 100.000 MW Solarkapazität in Deutschland haben. Davon sind zwei Drittel Dachanlagen, die in der Regel nicht gesteuert oder abgeschaltet werden können. Bei einem maximalen Stromverbrauch in Deutschland von etwa 85.000 MW erkennt man, dass hier etwas aus den Fugen geraten ist.
4 Millionen Haushalte profitieren von der auf 20 Jahre festgelegten Einspeisevergütung. Wer lediglich einspeist, bekommt 12,09 Cent pro Kilowattstunde (€ct/kWh) Festvergütung. Wer erzeugten Strom selbst verbraucht, bekommt für den eingespeisten Strom nur 8,11 €ct/kWh. Damit allein wäre die Anlage unrentabel.
Der Eigennutzer spart aber nicht nur die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer, sondern auch die Netzgebühr. Das sind insgesamt 17 €ct/kWh oder nach Schätzung von Amani Joas etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr. Die geschenkten Netzkosten tragen die Haushalte ohne Solardächer. Natürlich nutzen Eigennutzer auch die Netze. Eine angebliche Netzentlastung durch die Eigennutzer findet aber nicht statt, denn die Netze müssen auch für die Spitzenzeiten ausgelegt sein, in denen der Solardachbesitzer so wie jeder andere Strom ziehen will, zum Beispiel in der Nacht oder im Winter.
… und verdrängen Landwirte
Neuere Anlagen mit Speichersystemen erhöhen diese unbezahlten Kosten noch weiter, da der Eigenverbrauch weiter steigt. Auch zum Glätten der Solarstromerzeugung tragen die Heimspeicher kaum etwas bei, wie Prof. Hirth von der Hertie School in Berlin nachgewiesen hat: Zum Zeitpunkt der höchsten Sonneneinstrahlung am Mittag seien die Batterien bereits vollgeladen – und fallen als Instrument der Netzstabilisierung aus. Das bringe der Gesellschaft nichts, weshalb Hirth Eigenverbrauch als Steuersparmodell bezeichnet.
Die Dachphotovoltaik (PV) ist nach wie vor die teuerste Stromerzeugungsform. Eine PV-Dachanlage ist mehr als doppelt so teuer wie eine Freiflächenanlage gleicher Größe. Das zeigt auch der Vergleich der Einspeisetarife: Freifläche 5,5 bis 5,9 €ct/kWh, Dachanlage 12,09 €ct/kWh. Trotzdem wurden die Rahmenbedingungen von der Bundesregierung so gesetzt, dass es zu einem unkontrollierten Solarboom auf Dächern kam, dessen Folgen die Sicherheit des Stromnetzes und damit wir alle in den nächsten Jahren zu spüren bekommen.
Dass auch die Freiflächenphotovoltaik nicht problemlos ist, zeigen die hohen Pachtpreise, die die Goldgräber der Solarprojekte den Landwirten zu zahlen bereit sind. Mit 5.000 Euro pro Hektar Fläche verdrängen Solarprojekte die Landwirte, die diese hohen Pachtpreise aus der landwirtschaftlichen Produktion nicht erwirtschaften können. Der durchschnittliche Pachtpreis für landwirtschaftliche Nutzungen liegt bei 274 Euro pro Hektar.
Diese Flächenverknappung von bis zu 4 Prozent trifft eine landwirtschaftliche Produktion, die ohnehin mit der Flächenkonkurrenz durch Biogas (9 Prozent der Fläche) und Naturschutzstilllegungen (10 Prozent) belastet wird.
Epoch Times hat den monatlichen Newsletter von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ausnahmsweise geteilt. Den zweiten Teil zum Thema Erdgas und die Bedeutung der Gaspreisprognose für die weltweiten Konfliktherde in der Ukraine und dem Nahen Osten lesen Sie hier.
Über den Autor:
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.
Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net
Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Nach der Dunkelflaute kommt die Hellbrise“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)
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